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Gesetz über Wohnformen und Teilhabe des Landes Sachsen-Anhalt

Das Heimrecht des Landes Sachsen-Anhalt – das Gesetz über Wohnformen und Teilhabe des Landes Sachsen-Anhalt (WTG LSA) – will die Rechte älterer, pflegebedürftiger und behinderter Menschen als Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Einrichtungen und sonstigen Wohnformen stärken. Hauptziel des Gesetzes ist der Schutz der Würde sowie der Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen. Mit dem Gesetz sind die Beratungs- und Informationsangebote ausgebaut, die Beschwerdemöglichkeiten unter anderem durch die Einführung eines Beschwerdemanagements verbessert und die Mitwirkung der Betroffenen in ihrer Einrichtung oder Wohnform weiterentwickelt worden.
 

Inkrafttreten

Das Gesetz über Wohnformen und Teilhabe des Landes Sachsen-Anhalt (Wohn- und Teilhabegesetz – WTG LSA) ist am 09. Dezember 2010 vom Landtag des Landes Sachsen-Anhalt beschlossen worden und am 26. Februar 2011 in Kraft getreten. Das Gesetz gilt ausschließlich für das Land Sachsen-Anhalt und ersetzt das bisherige Heimgesetz des Bundes, das mit Inkrafttreten des Wohn- und Teilhabegesetz seine Gültigkeit verloren hat.

Zweck des Gesetzes

Anlass für die Schaffung heimrechtlicher Regelungen auf Landesebene ist einerseits die Föderalismusreform vom September 2006, in deren Folge die Gesetzgebungskompetenz für den öffentlich-rechtlichen Teil des Heimrechts auf die Länder übergegangen ist, andererseits haben sich die Betreuungsverhältnisse von Menschen im Alter, mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung seit Einführung des Bundes-Heimgesetzes im Jahre 1974 geändert.

Im Gegensatz zum bisher einheitlichen Heimrecht sind nach der Föderalismusreform von 2006 die Gesetzgebungskompetenzen für den Bereich des Heimrechts zwischen Bund und Ländern geteilt. Den zivilrechtlichen Teil des Heimrechts, das sogenannte Heimvertragsrecht, das ausschließlich das individualrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Einrichtungsträger und Bewohnerin oder Bewohner betrifft, hat der Bund im sogenannten Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) vom 29. Juli 2009 geregelt, welches als Bundesgesetz in allen Bundesländern gleichermaßen gilt. Mit den einzelnen Regelungen sind die heimvertraglichen Regelungen des bisherigen Heimgesetzes neu gefasst und weiterentwickelt worden.

Der öffentlich-rechtliche Teil des Heimrechts wird hingegen im vorliegenden Wohn- und Teilhabegesetz (WTG LSA) geregelt.

Hauptzweck des neuen Landesgesetzes ist es, die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse älterer, pflegebedürftiger oder behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen als Bewohnerinnen und Bewohner gemeinschaftlich betreuter Wohnformen vor Beeinträchtigungen zu schützen. Das Wohn- und Teilhabegesetz ist damit ein Schutzgesetz für den genannten Personenkreis und gehört rechtssystematisch zum (Heim-) Ordnungsrecht. Das Gesetz gewährt weder Leistungen noch Zuschüsse. Die ordnungsrechtlichen Regelungen dienen dazu, bereits erreichte Standards abzusichern und an neue Lebenswirklichkeiten anzupassen. Bei diesen Standards handelt es sich um Mindestanforderungen, welche die Träger stationärer Einrichtungen und sonstiger (nicht selbstorganisierten) Wohnformen zu beachten und zu erfüllen haben.

Wie schon der Titel zum Ausdruck bringt, soll mit dem Wohn- und Teilhabegesetz (WTG LSA) außerdem

  • die Selbstbestimmung und Teilhabe der Menschen im Alter, mit Pflegebedarf oder mit Behinderungen in stationären Einrichtungen und in sonstigen nicht selbstorganisierten Wohnformen gestärkt und gefördert werden,
  • die Qualität von Pflege und Betreuung und die Förderung der Qualitätsentwicklung in
  • Einrichtungen und sonstigen nicht selbstorganisierten Wohnformen dauerhaft gewährleistet werden
  • sowie mehr Transparenz und Verbraucherschutz insbesondere durch Veröffentlichung der Prüf- und Qualitätsberichte der zuständigen Behörde seitens der Träger geschaffen werden.


Aufbau und Struktur des Gesetzes

Das Gesetz gliedert sich in sechs Abschnitte mit insgesamt 39 Paragraphen.

Es orientiert sich an der Lebenswirklichkeit der Menschen und an ihrem Wunsch, möglichst lange möglichst selbstbestimmt leben zu wollen. Es löst sich daher von der überholten Kategorie des „Heimes“ und des Heimbegriffs und geht konsequent den Weg der Vielfalt der Wohnformen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes richtet sich – ausgehend vom Individuum (personenzentrierter Ansatz), nicht von der Einrichtung – danach, unter welchen Rahmenbedingungen Menschen gemeinschaftlich wohnen und dabei Pflege- und andere Betreuungsleistungen erhalten. Je höher der Grad der strukturellen Abhängigkeit von einem Träger ist, umso stärker ist der gesetzliche Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner ausgestaltet.

Bezüglich der Frage des Anwendungsbereiches unterscheidet das Gesetz drei Kategorien:

  1. Stationäre Einrichtungen sind Wohnformen mit einem umfassenden Leistungsangebot, in denen Bewohnerinnen und Bewohner Leistungen des Wohnens sowie zugleich der Pflege und Betreuung, häufig auch der hauswirtschaftlichen Versorgung und Verpflegung, aus einer Hand erhalten und nicht frei wählen können. In stationären Einrichtungen kommen die ordnungsrechtlichen Bestimmungen in vollem Umfang zur Anwendung.
     
  2. Nicht selbstorganisierte Wohnformen sind solche, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner bereits einen höheren Grad der Selbstbestimmung und Teilhabe oder einen geringeren Grad an struktureller Abhängigkeit erleben, die aber von einem Initiator oder Träger strukturell abhängig sind. Dazu gehören nicht selbstorganisierte ambulant betreute Wohngemeinschaften (Pflege-, Demenz- oder auch Behinderten-Wohngemeinschaften) sowie betreute Wohngruppen für Menschen mit Behinderungen, die einem abgestuften Ordnungsrecht mit geringeren ordnungsrechtlichen Anforderungen unterliegen.
     
  3. Selbstorganisierte Wohngemeinschaften sind dagegen solche, welche durch die Betroffenen selbst oder von deren Angehörigen organisiert sind und in denen der Pflege- oder Betreuungsdienst nur einen Gaststatus hat. Diese werden wie Wohnen in der eigenen Häuslichkeit behandelt und unterliegen – ebenso wie das klassische Betreute Wohnen mit geringen allgemeinen Unterstützungsleistungen (das sogenannte „Service-Wohnen“) - nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes und damit nicht der Kontrolle durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Für Interessierte an solchen Wohnformen besteht aber ein Beratungsanspruch gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde, um diese alternativen Wohnformen gezielt zu fördern und voranzubringen.